Mittwoch, 26. Oktober 2011

Thumann: „Türkei wendet sich nicht vom Westen ab, sie verändert sich nur“

Der Islam-Irrtum: Michael Thumann glaubt, der Westen schätzt islamisch geprägte Länder falsch ein. Wie in nicht-muslimischen Ländern würden Staatsoberhäupter hier auch häufig einfach aus machtpolitischen Gründen agieren. Erdogans provokative Äußerungen führt Thumann auf Amtsmüdigkeit und Konzentrationsschwäche zurück.


Michael Thumann lebt seit 2007 in der Türkei. Für ihn hat das Land viel Potenzial - solange die Regierung die richtigen Entscheidungen trifft. (Foto:Zaman)

Islam-Kritiker betrachten die arabischen Länder zu oberflächlich

Den Schlüsselmoment, der ihn zum Schreiben seines Buches „Der Islam-Irrtum“ veranlasst habe, sei eine öffentliche Diskussion gewesen. „Vor einigen Jahren nahm ich an einer Podiumsdiskussion zum EU-Beitritt der Türkei mit Peter Scholl-Latour teil. Für seine Aussage, ein Beitritt käme nicht in Frage, weil Erdogan ein Islamist sei, erhielt er großen Beifall. Ich war für einen Beitritt und wurde dafür stark kritisiert. Nach der Diskussion kam jemand erbost auf mich zu und sagte: „Sie junger Mann, lesen sie mal den Koran, dann wissen sie, wie schlimm die sind!“

Das tat Thumann dann auch. Jedoch sei er nicht auf eine Erklärung der derzeitigen Situation in den islamisch geprägten Ländern gekommen. Diese musste woanders liegen. Die Entwicklungen in den Ländern seien für ihn viel komplizierter und mehr auf wirtschaftliche und machtpolitische Gründe zurückzuführen.

Die Angst der westlichen Länder sei dagegen einfacher zu erklären. „Der 11. September war nicht nur ein einfacher Angriff auf den Westen. Er war vielmehr ein Angriff auf die Selbstsicherheit westlicher Länder”, erklärt Thumann. Die Folge sei Verunsicherung und Angst gewesen. Auf der Suche nach Gründen, hätten die Menschen eine einfache Erklärung gefunden: den Islam. „Dann könnte der Einbruch des westlichen Finanzsystems auch mit der Bibel, beispielsweise mit dem Turmbau zu Babel, erklärt werden”, meint Thumann und versucht so klarzumachen, wie absurd solch eine Begründung ist.

Gülen verärgert: Warum wird türkisches Militär nicht mit PKK fertig?

Der islamische Gelehrte Fethullah Gülen findet es beschämend, dass es das türkische Militär noch immer nicht geschafft hat, dem Terrorismus der PKK in drei Jahrzehnten seit ihrem Entstehen ein Ende zu bereiten. Gleichzeitig appelliert er an die Vernunft der Menschen, den Konflikt ohne Gewalt zu lösen.


Fethullah Gülen (Foto: Zaman)

Fethullah Gülen hat auf der Website herkul.org seine Trauer über den Tod von Dutzenden Mitgliedern der Sicherheitskräfte während der Terroranschläge der vergangenen Woche im Südosten des Landes zum Ausdruck gebracht. Gleichzeitig drückte Gülen seine Enttäuschung über das türkische Militär aus, welches versäumt habe, den PKK-Terrorismus in den vergangenen 30 Jahren zu beenden, berichtet “Zaman”.

Für ein Land, welches “eine der größten Armee und motorisierte Einheiten in der UN und der NATO” besitze, sei es “eine Schande, dass es nicht in der Lage ist, mit einer Gruppe von Banditen in den Bergen in den letzten 30 Jahren Schluss zu machen”, so Gülen.