Freitag, 15. April 2011

“Die Gülen-Bewegung ist sehr bildungsorientiert”

Islamwissenschaftler Prof. Mathias Rohe

Finden Sie es zulässig, dass man seitens der Politik die Aleviten in Stellung bringt, sozusagen als die besseren Muslime, und sie gegen die anderen ausspielt?
Wer das tut, begeht einen großen Fehler. Wir sollten immer die einzelnen Menschen und Organisationen anschauen, wie diese sich zu bestimmten Fragen positionieren und dann bewerten, ob man mit denen gut kann oder ob es Probleme gibt. Ich halte es für überhaupt nicht klug zu versuchen, die Leute pauschal auseinander zu sortieren und gegeneinander in Stellung zu bringen. Dass sie ihre internen Konflikte haben, ist völlig normal. Dass die Aleviten bis vor kurzem in der Türkei noch brutal unterdrückt wurden und auch jetzt noch keine gleichen Rechte genießen, wissen wir. Das schafft natürlich auch hier ein Konfliktpotential. Auf der anderen Seite meine ich, wir dürfen nur die hierzulande geltenden Maßstäbe anlegen. Sie setzt der demokratische Rechtsstaat. Jeder, der sich an die Spielregeln hält, hat gleiche Rechte und gleiche Pflichten. Dabei sollten wir es dann eigentlich auch belassen.

Wo sehen Sie die Gülen Bewegung in Deutschland?
Das ist nicht ganz leicht einzuschätzen. Es kursieren viele Gerüchte, teils auch lanciert. Was wir feststellen können ist, dass die Bewegung sehr bildungsorientiert ist und versucht, in diesem Bereich Defizite aufzuarbeiten. Sie ist von ihrer Grundausrichtung her sicherlich eher traditionell, aber auch sehr glaubhaft gegen jede Art von Gewalt im Namen von Religion ausgerichtet. Nach meiner Kenntnis lassen sich die Gerüchte, die Gülen-Bewegung wolle die Gesellschaftsordnung unterwandern, nicht untermauern. Das Problem ist, dass die Transparenz noch erheblich verbessert werden könnte. Immer wieder bilden sich Initiativen, die sich aus meiner Sicht problemlos dazu bekennen könnten, dass sie den Ideen von Fethullah Gülen folgen. Das tun sie aber nicht immer und das schafft natürlich eine gewisse Distanz.

Sie geben also nichts auf die Gerüchte?
Nein. Ich kann aber für mich auch nicht in Anspruch nehmen, dass ich die Bewegung abschließend einschätzen kann. Sie ist sehr breit und entwickelt sich auch. Bei Bewegungen, welche sich wie diese einer charismatischen Führungspersönlichkeit verschreiben, ist mein Protestanten-Herz vielleicht von Natur aus ein bisschen skeptisch. Aber man muss den Leuten Gerechtigkeit antun. Religionsgemeinschaften, die eher auf Führungspersonen zentriert sind, haben wir auch noch in anderen Spektren. Auch da rate ich dazu, sich die einzelnen Aktivitäten und Ideen genau anzuschauen. Auch wenn da an der einen oder anderen Stelle kreationistische Ideen vertreten sind – so etwas kann man kritisieren, darf man aber vertreten, solange es nicht in Indoktrination z.B. in Schulen ausartet.

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